Havanna ist eine Art gezeichneter Reisebericht, die der Berliner Comiczeichner Reinhard Kleist während eines vier wöchigen Aufenthaltes in Kuba anfertigte. Das Buch ist vor allem unter formalen Gesichtspunkten interessant: Kurze Comicpassagen, in denen kleine Geschichten erzählt werden, wechseln sich mit freien Zeichnungen ab, die durch kurze Texte ergänzt werden.
Im Grunde handelt es sich hier also um eine Mischung aus Comic und illustriertem Reisebericht. Während die Illustrationen größtenteils nach Thema sortiert sind (Autos, Landschaft, Häuser etc.) dienen die Comicpassagen als Auflockerung und als inhaltliche Klammern. Da längere Textpassagen völlig fehlen und der größte Teil der Informationen durch Bilder vermittelt werden, sind die Comicstrips notwendig, um komplexere Inhalte zu vermitteln. Gleichzeitig könnten sie auch als Versuch gesehen werden, das Werk nicht zu einem inhaltslosen Bilderbuch werden zu lassen. Das gelingt leider nur bedingt. Kleist spricht zwar mehrfach politische und gesellschaftliche Themen an, handelt diese jedoch in wenigern Bildern/Sätzen ab - es findet keine wirkliche Auseinandersetzung mit diesen Themen statt.
In seinen Bilder steht vor allem der morbide Charme der verfallenden Hauptstadt im Vordergrund. Ein Großteil der Bilder könnte man auch auf Postkarten drucken und an Kuba-Touristen verkaufen. Kleist ist sich dieses Problems bewusst (und thematisiert es in einem imaginären Gespräch zwischen sich selbst und einem Castro-Plakat), aber es gelingt ihm nicht, es zu lösen.
Kleist war als Tourist in Havanna, und so ist sein Buch auch nicht viel mehr als ein etwas kitschiges Reise-Bilderbuch geworden. Die Vermischung von Comic und Illustartion jedoch ist eine sehr interessante Technik, die sich sicherlich auch auf Reportagen anwenden ließe.
Kleist, R. (2008). Havanna: Eine kubanische Reise. Hamburg: Carlsen
Dienstag, 29. Juni 2010
Maus
Maus von Art Spiegelman ist kein Reportagecomic im eigentlichen Sinne. Wegen seiner Bedeutung für das Genre und aufgrund der Tatsache, dass es ein nicht-fiktionaler Comic ist (der immerhin mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnet wurde), werde ich mich trotzdem mit ihm beschäftigen.
Maus erzählt die Geschichte von Art Spiegelmans Vater, der als ponischer Jude den Holocaust überlebt hat und nach dem Krieg in die USA auswanderte. Spiegelman verwendet dabei mehrere Zeitebenen. Zum einen, um von den Erlebnissen seines Vaters im 3. Reich zu erzählen, und zum anderen, um ein Bild von der Gegenwart zu zeigen, in der sein Vater ein vom Holocaust schwer gezeichneter alter Mann ist.
Die Tatsache, dass Spiegelman auch die Gegenwart zeigt, von seinen langen Gesprächen mit seinem Vater berichtet und auch seine eigenen Gedanken und Reaktionen fest hält, ist sicherlich ein Grund dafür, dass das Buch so authentisch und glaubwürdig wirkt. Ein Anderer ist die Distanz, die der Autor zum Erzählten wahrt. Er versucht nicht, die objektive Wahrheit über den Holocaust zu vermitteln, sondern berichtet bewusst von den Erinnerungen eines Überlebenden. Dies wird sowohl inhaltlich als auch formal deutlich gemacht.
Die eben erwähnte Distanz zeigt sich natürlich auch in der Tiermetapher, die seinem Buch zugrunde liegt: Die Juden sind Mäuse, die Deutschen sind Katzen, die Amerikaner sind Hunde etc. Auf diese Weise ist es ihm möglich, das Grauen des Holocaust für den Betrachter erträglich zu machen. Natürlich sind einige Bilder grausam und schockierend. Aber eben nicht so sehr, dass der Betrachter den Blick abzuwenden und schnell weiterblättern muss. Dies ist keineswegs eine Verharmlosung, sondern vielmehr ein Weg für Spiegelman, überhaupt etwas über den Holocaust erzählen zu können. Um so stärker ist die Wirkung des einzigen Fotos, des Spiegelman gegen Ende des Comics eingebaut hat.
Trotz der Tiermetapher wirken die Bilder niemals wie ein Witz. Es ist erstaunlich, wie Spiegelman mit einfachen zeichnerischen Mitteln eine Fülle von glaubhaften Emotionen auf die simplen Tiergesichter seiner Protagonisten zaubern kann.
Bis vor kurzem habe ich mir Comics hauptsächlich gekauft, um Inspirationen für meine eigenen Zeichnungen zu finden. Ich habe mir nur Comics gekauft, deren Zeichenstil mich auf den ersten Blick beeindruckt hat, ohne Rücksicht auf die Story. Deshalb habe ich auch lange Zeit Maus ignoriert. Nachdem ich es jetzt aber durchgelesen habe muss ich sagen: Es ist der mit Abstand beste Comic, den ich je gelesen habe. Auch wegen den Zeichnungen.
Spiegelman, A., Brinck, C., & Joffe, J. (2008). Maus: Die Geschichte eines Überlebenden. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch.
Maus erzählt die Geschichte von Art Spiegelmans Vater, der als ponischer Jude den Holocaust überlebt hat und nach dem Krieg in die USA auswanderte. Spiegelman verwendet dabei mehrere Zeitebenen. Zum einen, um von den Erlebnissen seines Vaters im 3. Reich zu erzählen, und zum anderen, um ein Bild von der Gegenwart zu zeigen, in der sein Vater ein vom Holocaust schwer gezeichneter alter Mann ist.
Die Tatsache, dass Spiegelman auch die Gegenwart zeigt, von seinen langen Gesprächen mit seinem Vater berichtet und auch seine eigenen Gedanken und Reaktionen fest hält, ist sicherlich ein Grund dafür, dass das Buch so authentisch und glaubwürdig wirkt. Ein Anderer ist die Distanz, die der Autor zum Erzählten wahrt. Er versucht nicht, die objektive Wahrheit über den Holocaust zu vermitteln, sondern berichtet bewusst von den Erinnerungen eines Überlebenden. Dies wird sowohl inhaltlich als auch formal deutlich gemacht.
Die eben erwähnte Distanz zeigt sich natürlich auch in der Tiermetapher, die seinem Buch zugrunde liegt: Die Juden sind Mäuse, die Deutschen sind Katzen, die Amerikaner sind Hunde etc. Auf diese Weise ist es ihm möglich, das Grauen des Holocaust für den Betrachter erträglich zu machen. Natürlich sind einige Bilder grausam und schockierend. Aber eben nicht so sehr, dass der Betrachter den Blick abzuwenden und schnell weiterblättern muss. Dies ist keineswegs eine Verharmlosung, sondern vielmehr ein Weg für Spiegelman, überhaupt etwas über den Holocaust erzählen zu können. Um so stärker ist die Wirkung des einzigen Fotos, des Spiegelman gegen Ende des Comics eingebaut hat.
Trotz der Tiermetapher wirken die Bilder niemals wie ein Witz. Es ist erstaunlich, wie Spiegelman mit einfachen zeichnerischen Mitteln eine Fülle von glaubhaften Emotionen auf die simplen Tiergesichter seiner Protagonisten zaubern kann.
Bis vor kurzem habe ich mir Comics hauptsächlich gekauft, um Inspirationen für meine eigenen Zeichnungen zu finden. Ich habe mir nur Comics gekauft, deren Zeichenstil mich auf den ersten Blick beeindruckt hat, ohne Rücksicht auf die Story. Deshalb habe ich auch lange Zeit Maus ignoriert. Nachdem ich es jetzt aber durchgelesen habe muss ich sagen: Es ist der mit Abstand beste Comic, den ich je gelesen habe. Auch wegen den Zeichnungen.
Spiegelman, A., Brinck, C., & Joffe, J. (2008). Maus: Die Geschichte eines Überlebenden. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch.
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